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Jenische, Sinti und Roma mit fahrender Lebensweise

Der Kanton Bern nimmt gegenüber den Minderheiten der Jenischen, Sinti und Roma mit fahrender Lebensweise Verantwortung wahr. Zu diesem Zweck betreibt er eine Koordinationsstelle Fahrende, welche eine Schnittstellenfunktion einnimmt zwischen Jenischen, Sinti und Roma, kantonalen Behörden, Gemeinden sowie weiteren interessierten oder betroffenen Akteuren. Zudem plant der Kanton in Zusammenarbeit mit den betroffenen Regionen und Gemeinden zusätzliche Stand-, Durchgangs- und Transitplätze.

Die fahrende Lebensweise in der Schweiz und im Kanton Bern

Die grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung führt ein sesshaftes Leben. Dies gilt zwar auch für eine Mehrheit der schweizerischen Jenischen, Sinti und Roma, jedoch nicht für alle. Von den schätzungsweise rund 40’000-80'000 Roma, den 30'000 – 40'000 Jenischen und den 2'000-3'000 Sinti in der Schweiz, gehen ungefähr 3'000-4'000 einer fahrenden oder nomadischen Lebensweise nach. Diese allgemein als «Fahrende» bezeichneten Minderheiten reisen mit Ihren Wohnwagen ganzjährig oder im Sommerhalbjahr durch die Schweiz und sind beispielsweise als Verkäufer, Musiker, Künstler, Handwerker, Maler und Gärtner beruflich tätig. Um sich für einige Wochen in einer Region aufzuhalten, beziehen die fahrenden Jenischen, Sinti und Roma häufig temporär auf offiziellen Halteplätzen ihr Quartier. So verbringen beispielsweise schweizerische Jenische und Sinti den Winter in Graubünden, aber reisen von Frühling bis Herbst mit ihrer Familie oder in kleinen Gruppen durch die Schweiz und machen mitunter auch für mehrere Wochen im Kanton Bern halt. Umgekehrt verbringen andere Jenische und Sinti den Winter in Bern und sind danach in der Ost- und Westschweiz beruflich unterwegs.


Auch ausländische Jenische, Sinti und Roma bereisen die Schweiz und den Kanton Bern hauptsächlich von Frühling bis Herbst. Dabei sind sie häufig in grösseren Familiengruppen von einem bis mehreren Dutzend Wohnwagen unterwegs. Sie stammen vorwiegend aus den Nachbarländern wie Frankreich, Deutschland und Italien, seltener auch aus Spanien, Osteuropa oder dem Balkan. So sind Schätzungsweise in der Schweiz jährlich mehrere Hundert Wohnwagen von in- und ausländischen Fahrenden unterwegs. Alleine im Kanton Bern kann von rund 100 Wohnwagen ausländischer Roma hauptsächlich aus Frankreich und ungefähr der gleichen Anzahl Wohnwagen von schweizerischen Jenischen und Sinti mit fahrender Lebensweise ausgegangen werden.


Bei der fahrenden Lebensweise handelt es sich keineswegs um ein neueres Phänomen. Die Anwesenheit von fahrenden Jenischen, Sinti und Roma in Mitteleuropa reicht mindestens bis ins 14. und 15. Jahrhundert zurück. Dennoch sehen sich diese Minderheiten nach wie vor mit zahlreichen Vorurteilen und Unkenntnis konfrontiert und müssen für die Anerkennung und Bewahrung ihrer Identität, Kultur und Lebensweise kämpfen.

Rechtliche Grundlagen zur fahrenden Lebensweise

1998 hat der Bundesrat ein europäisches Rahmenübereinkommen zum Schutz von nationalen Minderheiten ratifiziert, welches ausdrücklich Jenische und Sinti als nationale Minderheiten anerkennt und ihre eigenständigen Sprachen und Kulturen sowie ihre fahrende Lebensweise schützt. 2018 hat der Bundesrat zwar einen Antrag auf Anerkennung der Roma als nationale Minderheit abgelehnt. Dennoch unterstreicht er, dass Roma ein fester Bestandteil der Schweizer Gesellschaft und entsprechend vor Rassismus und Diskriminierung zu schützen sind. In diesem Zusammenhang ist die Schweiz an die Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und dem Diskriminierungsverbot gebunden, welches direkte oder indirekte Diskriminierung von Personen einerseits aufgrund ihrer ethnischen oder nationalen Herkunft, andererseits aufgrund ihrer «Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit» untersagt. Weiter wird die Kultur inklusive der fahrenden Lebensweis der Jenischen, Sinti und Roma durch die Bundesverfassung geschützt. Diese garantiert eine Reihe von Freiheitsrechten (Wirtschafts-, Niederlassungs- und Bewegungsfreiheit, Recht auf Privatleben) und verpflichtet zum Erhalt und zur Förderung der kulturellen Vielfallt. Das Raumplanungsgesetzt (Art. 3., Abs. 3) verpflichtet zudem die Kantone, ihre Planung nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten, was Bevölkerungsgruppen wie jene der fahrenden Jenischen, Sinti und Roma einschliesst. In seinem Urteil vom 28. März 2003 hat das Bundesgericht das Recht der fahrenden Minderheiten auf ihre fahrende Lebensweise und damit auf angemessene Halteplätze ausdrücklich anerkannt.

Halteplätze für fahrende Jenische, Sinti und Roma

Damit fahrende Jenische, Sinti und Roma ihrer Lebensweise nachgehen können, benötigen sie Halteplätze, welche in der Regel von Kantonen oder Gemeinden gegen eine Nutzungsgebühr zur Verfügung gestellt werden. Die bestehenden Halteplätze verfügen meist über eine einfache und zweckmässige Infrastruktur für Strom, Wasser, Abfall- und Abwasserentsorgung sowie sanitäre Einrichtungen und lassen sich in folgende drei Kategorien einteilen:

  • Standplätze dienen dem stationären Aufenthalt insbesondere über die Wintermonate. In den Standplatzgemeinden sind schweizerische Jenischen und Sinti meistens ganzjährig angemeldet, ihre Kinder besuchen dort normalerweise die Schule.
  • Durchgangsplätze dienen dem Aufenthalt während der Reisesaison von März bis Oktober. Die schweizerischen Jenischen und Sinti halten auf ihnen in der Regel ein bis vier Wochen und ziehen dann weiter.
  • Transitplätze sind grössere Plätze häufig in der Nähe einer Autobahn (Transitachse), welche vorwiegend für ausländische Roma, Jenischen und Sinti geschaffen und von ihnen genutzt werden.

Trotz den unterschiedlichen Abkommen und gesetzlichen Grundlagen besteht gemäss dem Standbericht der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende landesweit nach wie vor ein Mangel an offiziellen Halteplätzen. Der Standbericht 2021 der Stiftung weist diesen Mangel detailliert für alle Kantone aus. Zudem regt die Stiftung an, die traditionelle Form des spontanen Haltens nicht übermässig stark mit Gesetzen und Bestimmungen einzuschränken. Die Homepage der Stiftung sowie der Standbericht sind unter der Rubrik «Mehr zum Thema» verlinkt.


Der Kanton Bern verfügt bereits über mehrere offizielle Halteplätze. Zudem plant und realisiert er in Zu-sammenarbeit mit den betroffenen Regionen und Gemeinden zusätzliche Stand-, Durchgangs- und Transitplätze. Damit will er nicht nur gute Grundlagen für eine fahrende Lebensweise schaffen, sondern gleichzeitig auch unerwünschte Landnahmen reduzieren, welche häufig die Folge eines Mangels an offiziellen Haltemöglichkeiten sind. Gleichzeitig ist der Spontanhalt als traditionelle Form der fahrenden Lebensweise aufgrund von allgemeiner Platzknappheit und gesetzlichen Restriktionen unter Druck geraten. Detaillierte Informationen zum Spontanhalt finden sich in den Merkblättern unter den Rubriken «Kantonale Hilfsmittel und Konzepte» sowie «Mehr zum Thema». Auch zum Thema der unerwünschten Landnahmen lassen sich dort Hilfsmittel finden. Auf der folgenden Karte sind die definitiven, provisorischen und ge-planten Halteplätze für Jenische, Sinti und Roma im Kanton Bern ersichtlich. Unterhalb der Karte sind die Standortgemeinden sowie die für den Halteplatzbetrieb verantwortlichen Stellen zu finden.

Halteplätze für Jenische, Sinti und Roma im Kanton Bern
  1. Standplatz Biel für schweizerische Jenische und Sinti an der Lindenhofstrasse: Öffentliche Sicherheit – Stadt Biel, +41 32 326 18 01
  2. Standplatz Bern-Buech für schweizerische Jenische und Sinti: Immobilien Stadt Bern, Robert Mäder, Immobilienbewirtschaftung Soziales, +41 31 321 66 23, E-Mail
  3. Durchgangsplatz Jegenstorf für schweizerische Jenische und Sinti: Hanspeter Pfeiffer, +41 79 371 55 53
  4. Standplatz Belp für schweizerische Jenische und Sinti: Gemeinde Belp, Abteilung Sicherheit, +41 31 818 22 22
  5. Durchgangsplatz Thun-Allmendingen für schweizerische Jenische und Sinti: Stadt Thun - Bewilligung für Fahrende beantragen, Polizeiinspektorat der Stadt Thun, +41 79 925 50 89
  6. Standplatz Lochmatte in Erlach für schweizerische Jenische und Sinti: Winterstandplatz Lochmatte / +41 32 338 88 88
  7. Durchgangsplatz Waldäcker in Herzogenbuchsee für schweizerische Jenische und Sinti (noch nicht realisiert);
  8. Transitplatz Wileroltigen für ausländische Fahrende (noch nicht realisiert);
  9. Durchgangsplatz/Winterstandplatz Froumholz in Muri b. Bern für schweizerische Jenische und Sinti (noch nicht realisiert)
  10. Provisorischer Durchgangsplatz für schweizerische Jenische und Sinti in Biel an der Zürichstrasse: Öffentliche Sicherheit – Stadt Biel, +41 32 326 18 01
  11. Provisorischer Durchgangsplatz für schweizerische Jenische und Sinti in Bern an der Wölflistrasse: Polizeiinspektorat — Stadt Bern, +41 31 321 51 51
  12. Provisorischer Transitplatz für ausländische Fahrende in Biel an der Fritz-Oppliger-Strasse: Öffentliche Sicherheit – Stadt Biel , +41 32 326 18 01

Kantonale Planungen neuer Halteplätze

Mittels kantonaler Überbauungsordnungen (KUeO) plant der Kanton Bern die Realisierung von neuen Halteplätzen in den Gemeinden Erlach (Winterstandplatz Lochmatte), Herzogenbuchsee (Durchgangsplatz Waldäcker), Muri b. Bern (Stand- und Durchgangsplatz Froumholz) und Wileroltigen (Transitplatz). Die KUeO, ausser jene in Muri, wurden durch die DIJ beschlossen und damit die Baubewilligung erteilt. Die jeweiligen Dokumente zu den KUeO sind nachfolgend verlinkt:

Winterstandplatz Lochmatte, Erlach (in Betrieb)

Durchgangsplatz Waldäcker, Herzogenbuchsee (in Betrieb ab Frühjahr 2025)

Transitplatz Wileroltigen (in Betrieb ab Frühjahr 2025)

Stand- und Durchgangsplatz Froumholz, Muri b. Bern (in Planung)

Kantonale Koordinationsstelle Fahrende

Seit Juni 2022 besteht eine Koordinationsstelle, welche im Kanton einerseits eine Schnittstellenfunktion einnimmt zwischen fahrenden Jenischen, Sinti und Roma, den kantonalen und kommunalen Behörden sowie weiteren involvierten Anspruchsgruppen. Andererseits dient sie als erste Ansprechstelle bei Fragen zur fahrenden Lebensweise. In enger Zusammenarbeit mit weiteren kantonalen Behörden sowie der Kantonspolizei unterstützt die Koordinationsstelle betroffene Grundeigentümerschaften bei der Bewältigung unerwünschter Landnahmen und berät bei Spontanhalten. Mittels einer kantonalen Arbeitsgruppe verbessert die Koordinationsstelle die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden unter Einbezug von kommunalen Vertretern und Mitglieder von Fahrendenorganisationen. Zusätzlich fördert die Stelle den Austausch unter den bestehenden Halteplätzen mittels einer eigens dafür eingerichteten Kontaktgruppe.

Bei Anliegen oder Fragen zur fahrenden Lebensweise im Kanton Bern steht Ihnen die Koordinationsstelle unter den rechts stehenden Kontaktangaben gerne zur Verfügung. Weiterführende Informationen und Hilfsmittel für die Praxis finden sich in den Rubriken «kantonale Hilfsmittel und Konzepte» und «Mehr zum Thema».

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